Die meisten Schüttorfer kennen sie nur noch von alten Bildern. Die älteren haben sie in ihrer Jugend noch gesehen, als Ruine mit ein paar gerade noch bewohnbaren Restgebäuden. Die Rede ist von der Schüttorfer Stadtburg Altena. Sie lag ungefähr da, wo heute das E-Center steht, an der damaligen südöstlichen Ecke der Stadt.
Die Burg´war zweifelsohne das imposanteste Gebäude in der jungen Stadt Schüttorf. Kurz nach der Stadtgründung wurde mit ihrem Bau begonnen. Zuerst ließ der Bentheimer Graf den Nordflügel errichten, dem sogenannten Palas. Ihm folgten im Laufe der Jahrzehnte weitere Anbauten, bis die Burg Altena im 16. Jahrhundert durch Anna von Tecklenburg-Schwerin mit vier Gebäudeflügeln, einer Vorburg und einem goßen Burggarten ihre endgültige Größe erreichte.
Aber wie lebte es es sich so in einer Stadtburg? Vieles ist uns nicht überliefert. Aber eine von Gräfin Magdalena zu Bentheim erlassene Hofordnung gibt uns Auskunft darüber, wie das höfische Leben auf Burg Altena ausgesehen haben könnte. Gräfin Magdalena bekam von ihrem Mann die Burg Altena als Witwensitz zugesprochen.
Die Burg Altena besaß zur Zeit Magdalenas etwa 40 Räume, in denen bis zu 50 Menschen lebten. Da war zunächst die Gräfinwitwe selbst sowie ihre beiden Söhne, die immer mal wieder zu Gast bei ihrer Mutter waren. Meist in Begleitung von weiteren, meist jungen Adeligen.
Über das Geld wachte der Rentmeister
Wichtigster Mann auf der Burg Altena war der Rentmeister. Er war zuständig für die Eintreibung der Abgaben, die an die Gräfin zu leisten waren. Einmal im Jahr musste er der Gräfin Rechenschaft über die Finanzen ablegen. Der Rentmeister war verantwortlich für die Hofhaltung selbst. Er hatte die Aufsicht über Küche, Keller, Ställe, Bauhaus und Pforte. Als Zuchtmeister sorgte er dafür, dass sich jeder auf der Burg gebührlich verhielt und fleißig seine Arbeit verrichtete. Wer nicht parierte, wurde von ihm bestraft.
Neben dem Rentmeister zählte auch die sogenannte Altfrau zum Management der Burg. Sie war die Vorgesetzte der Mägde und Dienerinnen. Sie teilte sie zur Arbeit ein und achtete streng darauf, dass die Frauen sauber, fleißig und pünktlich waren. Zusätzlich war sie noch für den Weinkeller der Burg verantwortlich und führte genau Buch darüber, wer von den Herrschaften zur Nacht einen Schlaftrunk begehrte. Sie verwahrte auch das Bettzeugs, die Leinentücher und die Kerzen.
Zu den Führungskräften der Bediensteten zählte auch ein Schneidermeister. Neben seiner Tätigkeit als Schneider schenkte er bei großen Mahlzeiten den Wein und das Bier aus. Zu seinen Pflichten gehörte auch, dass er das Silbergeschirr und die Tischtücher aus Leinen sicher verwahrte.
Nachts blieb die Burg geschlossen
Einen wichtigen Posten hatte auch der Burg-Pförtner inne. Er schloss das große Burgtor zur Nacht ab, meist so gegen 8 Uhr abends und im Winter schon um 7 Uhr. Den Schlüssel musste er dann der Gräfin in ihr Gemach bringen, wo er ihn am frühen morgen um 7 Uhr wieder abholte, um das Burgtor wieder zu öffnen. Da die Burg nicht von jedermann betreten werden durfte, hatte der Pförtner die Aufgabe, nur die hineinzulassen, die eine Einladung der Gräfin, ihrer Söhne oder des Rentmeisters hatten. Alle anderen mussten vor dem Burgtor ausharren. Der Pförtner hatte auch die Aufsicht inne, wenn vor dem Burg Almosen an die Armen der Stadt verteilt wurden. Nur Einheimische bekamen etwas. Auswärtige wurden von ihm abgewiesen.

Der Westflügel der Burg. Im Vordergrund ist noch das Burgtor und der Rest der Burgmauer zu sehen, die die eigentliche Burg von der Vorburg trennte. Aufnahme entstand 1903
In der Burg-Küche arbeitete der Mundkoch, der die Speisen für die Herrschaften zubereitete. Er war auch für das Schlachten von Kühen, Ochsen, Kälbern, Schafen und Schweinen zuständig. Im zur Seite standen der Hauskoch, der das Essen für die Bediensteten kochte, eine Küchenfrau und zwei Küchen-Jungen für die niederen Arbeiten.
Zu den Beschäftigten in der Bürg zählten auch der Burg-Gärtner und der Bauschulte, sowie Schlüter, Wildschützen und Kutscher, aber auch Axthauer und Briefträger. Daneben gab es noch zahlreiche Hilfskräfte die z.B. für die Pflege der Pferde und Wagen zuständig waren. Eine wichtige Funktion hatte auch der Feuerbüter, der für die Beheizung der Stuben zu sorgen hatte. Wenn die Gräfin eine Ausfahrt mit dem Wagen machte, hatte der Feuerbüter zudem dafür zu sorgen, dass genügend Decken und Kissen für die Burgherrin bereitstanden.
Viel Personal für eine kleine Burg
Insgesamt umfasste das Burg-Personal rund 40 Frauen und Männer. Hinzu kamen noch etwa 20 Männer, die zum Beispiel als Holzhauer oder Boten im „Außendienst“ tätig waren. Sie alle hatte dafür zu sorgen, dass es den wenigen Herrschaften auf der Burg gut ging. Dabei lebten diese nicht in Saus und Braus, denn das Budget der Grafinwitwe war durchaus begrenzt und betrug nur ein Bruchteil dessen, was dem Grafen von Bentheim zur Verfügung stand. Die Bediensteten wohnt zumeist innerhalb der Burg, waren deshalb auch von allen Pflichten aber auch Rechten, die die Schüttorfer Stadtbewohner besaßen, befreit.

Die Vorburg der Burg Altena. Hier waren vor allem Handwerker untergebracht aber auch die Stallungen für das Vieh. Gemälde von 1830
Der Tag begann mit der Morgensuppe
Den Tagesablauf auf der Burg kann man sich in etwa so vorstellen. Wie schon gesagt, spätestens um 10 Uhr Abends begab man sich auf der Burg zur Nachtruhe, die morgens um 7 Uhr in der Frühe dann zu Ende war. Die Gräfin begann ihren Tag mit einer Morgensuppe, die zusammen mit dem ganzen Gesinde eingenommen wurde. Dann ging jeder seinem Tagewerk nach. Um 12 Uhr wurde ein kleines Mittagessen gereicht. Nachdem die Burgtore verschlossen waren, wurde das Abendessen eingenommen, die Hauptmahlzeit des Tages. Gegessen wurde vor allem viel Fleisch, aber auch ausreichend „Beiessen“, zumeist Gemüse aus dem Burggarten, sowie Milch und Eier.

Gemälde der Burg Altena. Im Vordergrund die Ruine des alten Palas (Ostflügel). Jahrhundertelang das größte Wohngebäude in Schüttorf
Die Herrschaften sowie das Führungspersonal der Burgbediensteten speisten zumeist in der großen Hofstube im Palas. Das niedere Gesinde aß in der kleinen Hofstube neben der Küche. In der Küche selber durfte nicht gegessen werden. Bedienstete, die den Herrschaften die Speisen und Getränke servierten, mussten vorher gegessen haben.
An den Tischen herrschte ein klare Sitzordnung
Wenn die Grafinwitwe zu Tisch bat, waren nicht selten auch Gäste von außerhalb der Burg geladen. Gegessen wurde dann an drei Tischen. Dem Tisch der Gräfin, dem Beitisch und dem Nachtisch. Für jeden Tisch gab es eine festgelegt Sitzordnung, wo die Teilnehmer, je nach gesellschaftlicher Stellung platziert wurden. Am Tisch der Gräfin saßen ihre Söhne und Töchter, die Räte und Rechtgelehrten, der „alte Wyle“, die Jungfern und je ein adliger Begleiter ihrer Söhne. Am Beitisch speisten die anderen Adligen, der Prediger, der Rentmeister, der Vogt sowie andere Rentmeister und Richter. Am Nachtisch nahmen die adligen Jungen, der Schneidermeister, die Altfrau sowie die Kammermägde und Kammerdiener Platz. Die Speisen wurden von Bediensteten aufgetragen, dabei wurde auf Anweisung der Gräfin nur soviel serviert, dass ein jeder satt wurde. Völlerei und Prasserei waren, auch ob des bescheidenen Budgets, verpönt. Der Schneidermeister fungiert als Mundschenk und achtete darauf, dass vom Wein und Bier nicht allzu viel gesoffen wurde.

Titelseite der umfangreichen Hofordnung, die Gräfinwitwe Magdalena im jahr 1606 für die Burg Altena erließ
Fluchen und Gotteslästerung waren verboten
Begonnen wurde das Abendessen, wie auch alle anderen Mahlzeiten, mit einem Gebet oder einem Vortrag religiöser Texte. Überhaupt war die Gräfinwitwe darauf bedacht, dass auf der Burg eine christliche Lebensführung herrschte. So musste der Hofprediger oder Geistlicher aus der Stadt jeden Nachmittag um 4 Uhr auf der Burg ein Stück aus dem Neuen Testament vorgelesen und ein Gebet sprechen. Ob daran jeder Burginsasse teilnehmen musste, ist aber nicht bekannt. Sicher ist, dass die Hofordnung jedem Bediensteten das Fluchen und die Gotteslästerung verbot. Bei einer Zuwiderhandlung drohten empfindliche Strafen bis hin zur Entlassung aus dem Dienst und der Ausweisung aus der Burg. Insgesamt herrschte auf der Burg ein strenges Regiment. Fleiß, Bescheidenheit und Zuverlässigkeit waren Tugenden, die jedem abverlangt wurden. Wer sich nicht daran hielt, lief schnell Gefahr, seinen guten Job ein für alle Male zu verlieren.
Wie die Burg Altena hat aussehen können
In den 1990er Jahren wurde zum Jubiläum 700 Jahre Stadtrechte für Schüttorf der Versuch einer Rekonstruktion der Bug Altena in Schüttorf unternommen. Leider gibt es kaum Bildmaterial, wie die Schüttorfer Stadtburg in ihrer Vollendung ausgesehen hat. Ein Modell vermittelt uns jedoch einen Blick darauf, wie dieses für Schüttorfer Verhältnisse einst imposante Gebäude ausgesehen haben könnte. Das Modell ist seit Jahren im Schüttorfer Verwaltungsgebäude ausgestellt, findet dort aber viel zu wenig Beachtung.
Hauptquelle: Heinrich Voort, „Damit ein jeder wissen möge, wessen er sich zu verhalten.“ Die Hofordnung der Gräfinwitwe Magdalena zu Bentheim für Haus Altena in Schüttorf, in: Bentheimer Jahrbuch 2006
Fotos: Stadtarchiv, Heimatverein Schüttorf, Stadt/Samtgemeinde Schüttorf