Die Bewohner der jungen Stadt Schüttorf waren neben kleinen Handwerkern und Händlern, vor allem Menschen, die mit Ackerbau und Viehzucht ihren Lebensunterhalt bestritten. Viele Bürger der Stadt besaßen außerhalb der Stadtmauern landwirtschaftliche Flächen. Die wohlhabenderen im West und Norden der Stadt, die nicht so betuchten Einwohner im Osten, wo der Boden nicht so fruchtbar und ertragreich war.
Die meisten Bürgerfamilien besaßen eigenes Vieh, zumeist Kühe und Ziegen. Wintertags wurde das Vieh in den Häusern eingestallt, zu den wärmeren Jahreszeiten brachte man es auf die eigenen oder gemeinschaftlichen Weiden und Wiesen außerhalb der Stadt. Zugtiere wie Pferde und Ochsen gab es nur wenige innerhalb der Stadtmauern. Spanndienste wurden zumeist von den umliegenden Bauern geleistet.
Die Schlachtbeester von Schüttorf
Wer es sich leisten konnte, hielt auch ein sogenanntes „Schlachtbeest“, in der Regel ein Schwein. Dieses „Schlachtbeest“ wurde zum Herbst hin geschlachtet. Deshalb stand zumeist nur in den Wintermonaten viel Fleisch auf den Speiseplänen. Ansonsten ernährte man sich vorwiegend von Hafer- oder Roggen-Grütze oder von Gemüse aus den eigenen Garten. Machmal kam auch ein Ei oder ein Fisch aus der Vechte auf den Tisch. Getrunken wurde überwiegend selbstgebrautes Bier. Das tranken alle und auch jeden Tag, vom Kleinkind bis zum Greis. Die Viehhaltung prägte auch das Stadtbild. Vor vielen Häusern stand ein Misthaufen, auch Messbült genannt. Je größer und höher so ein Messbült war, um so angesehener war die Familie. Denn es war ja offensichtlich, dass hier eine wohlhabende Familie wohnte, die viel Vieh halten konnte.
Schüttorf gewann an Höhe
In den ersten Jahrzehnten war die Stadt Schüttorf noch recht dünn bebaut. Innerhalb der Stadtbefestigungen gab es nur ein paar Handvoll Häuser, von denen nicht wenige auf großen Grundstücken standen. Das waren vor allem die Adelshöfe, die mitten in der Stadt lagen. Teile der Stadt waren zudem noch Sumpfgebiete, die erst im Laufe von Jahrhunderten nach und nach trocken gelegt wurden. Bei Tiefbauarbeiten im Stadtzentrum wurde festgestellt, dass die meisten Wege und Grundstücke früher viel tiefer lagen. Immer wieder wurden auch wegen des morastigen Grundes Schlammlöcher mit Erde aufgefüllt. Hinzu kam, dass durch die Plaggendüngung auch das Bodenniveau der innerstädtischen Gärten im Laufe der Zeit immer höher wurde.
Von Onkels und Tanten
Im Laufe der Zeit verdichtete sich nach und nach die Bebauung der Stadt, bis kaum noch freie Flächen zum Hausbau vorhanden waren. Das hatte auch soziale Folgen. Da der Besitz eines Bürgers in der Regel an den ältesten Sohn oder, wenn kein männlicher Erbe vorhanden war, an eine Tochter vererbt wurde, hatte die übrigen Bürgerkinder kaum noch die Möglichkeit ein eigenes Haus zu bauen und einen eigenen Hausstand zu gründen. So gab es bald in jeder Familie eine Zahl von ledigen „Onkels“ oder „Tanten“, die zusammen mit der eigentlichen Familie im Elternhaus wohnten. Das wirkte sich natürlich auf das familiäre Zusammenleben aus. In den meist kleinen Wohnräumlichkeiten lebten zunehmend immer mehr Personen. Von einer Privatsphäre konnte kaum noch die Rede sein. Kein Wunder, dass viele nach getaner Arbeit lieber ins Wirtshaus als nach Hause gingen.
Nicht wenige der ledigen Tanten und Onkels verdingten als Hausmädchen oder als Tagelöhner bei größeren Bauern und Handwerkern. Viele suchten an anderen Orten und Städten nach Arbeit. Wer in Schüttorf blieb, verdiente sich oftmals in Heimarbeit als Flachsspinner und -weber ein Zubrot. Von Reichtum und Wohlstand war nur bei den wenigsten Bürgern etwas zu spüren.
Im Sommer Staub, im Winter Schlamm
So bescheiden die Lebens- und Wohnverhältnisse für die meisten Schüttorfer waren, wenig eindrucksvoll war auch das Bild, das die Stadt zu der Zeit abgab. Bis auf ein paar wenige Häuser, die mit Steinen gebaut waren, prägten kleine, meist eingeschossige Fachwerkhäuser aus Lehm und Reisig das Stadtbild. Die Dächer war überwiegend mit Stroh gedeckt. Die Straßen waren ungepflastert, im Sommer sehr staubig, zu den niederschlagsreichen Jahreszeiten verwandelten sie sich in Schlammpisten.
Misthaufen als Prestigeobjekt
Weil viele Bürger eigenes Vieh hielten, stand vor fast jedem Haus auch ein Misthaufen. Und je größer so ein Haufen war, ums so höher war auch das Ansehen der Hausbewohner. Denn wer viel Mist vor seinem Haus liegen hatte, der galt als wohlhabend. Die vielen Misthaufen in der Stadt sorgten so machen Sommer für eine große Fliegen- und Mückenplage. Kleine und große „Geschäfte“ wurden auf dem Misthaufen oder in den Ställen im Haus verrichtet. Das Abwasser aber auch die Abfälle aus der Küche landeten in den Grüppen zwischen den Häusern. Wenn es regnete wurden sie einfach auf die Wege gespült und blieben dort liegen. Das Trinkwasser kam aus offenen Brunnen, die nicht sehr tief waren, oder wurde der Vechte und sogar den zahlreichen Gräben, die Schüttorf durchzogen, entnommen. Das Wasser war vielfach nicht zum Trinken geeignet. Trotzdem war das Wasser eine der Ursachen dafür, dass gerade in den Sommermonaten viele Menschen erkrankten. Erst gegen Ende des 18. Jahrhundert wurde damit begonnen, die Straßen zu pflastern und tiefere Brunnen zu bohren. Auch die Mithaufen wurden dann aus der Stadt verbannt.
Symbol-Foto: By Dieter Grebe, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=56587504