In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts haben sich noch viele Schüttorfer Hausweber geweigert, in den schmutzigen, lauten und hektischen Fabriken zu arbeiten. Und ihnen fehlte auch vielfach die Qualifikation, die für eine industrielle Produktion notwendig waren. Deshalb warben die Schüttorfer Textilunternehmen – wie auch die in Nordhorn oder Gronau – niederländische Textilarbeiter an, um sie hier in der aufblühenden Textilindustrie arbeiten zu lassen. Um die niederländischen Arbeiter nach Schüttorf zu locken, bauten die Textilunternehmen ihnen sogar für die damalige Zeit moderne Arbeiterwohnungen, vor allem an der Ohner Straße und in der Straßburger Straße. So zogen schon bald viele Niederländer mit ihren Familien nach Schüttorf.
Der Fußball begeisterte vor allem die Arbeiterjugend
Aber die Holländer brachten nicht nur ihre Arbeitskraft und ihr Fachwissen mit nach Schüttorf, sondern auch das Fußballspiel. Das wurde nämlich schon zu jener Zeit in Holland und besonders auch in den Orten an der Grenze oft und gerne gespielt, während man bei uns in Deutschland sich vor allem beim Turnen sportlich betätigte.
Der Ballsport der Holländer begeisterte in kurzer Zeit auch viele Schüttorfer, vor allem die Jungen aus den Arbeiterfamilien. Denn um Fußball zu spielen, brauchte es nicht viel. Einen Platz, zwei Pfosten als Tore und einen Ball. Nach Schul- oder Arbeitsschluss trafen sich die Jungen von „Achte de Bahn“ irgendwo auf einem freien Platz oder einer unbeweideten Wiese. Schnell waren die Tore aufgestellt – meistens waren es nur zwei große Äste pro Tor – und schon ging das Fußballspielen los. Gespielt wurde in der normalen Alltagskleidung und der Ball wurde mit Straßenschuhen oder sogar Holzschuhe gekickt. Wenn die Väter dann aus der Fabrik kamen, schaute so manch einer von ihnen interessiert dem Treiben zu.
Keine Regeln – aber viel Spaß
Es gab hier in Schüttorf auch noch keine großartigen Regeln, nach denen gespielt wurde. So dauerte ein Spiel manchmal 2 oder mehr Stunden. Je nachdem wann den Jungs die Puste ausging oder sie nach Hause mussten. Und Schiedsrichter suchte man auf dem Spielfeld vergebens.
Wen die Polizei erwischte, bekam ordentlich Haue
Die örtliche Obrigkeit betrachte das neue sportliche Treiben der Arbeiterjugend mit Argwohn. Sie sah darin keinen Sport, sondern eher ein ungebührendes Treiben. Nicht selten wurden die jungen Fußballer von den Sportplätzen auf dem ehemaligen Hagenfriedhof oder dem städtischen Festplatz am Waldschlösschen vertrieben. Wer dabei von den Gendarmen erwischt wurde, bezog oft eine gehörige Tracht Prügel.
Fußball war der Sport der Textilarbeiter
Nicht nur die Jungen, auch immer mehr Erwachsene fanden Spaß am Fußballspiel. Schnell schlossen sich in den Abteilungen der großen Textilunternehmen wie z.B. bei Schlikker & Söhne junge Männer zu Betriebsmannschaften zusammen. Reichte die Zahl der Männer nicht aus, um eine Mannschaft zu bilden, wurden auch die Jungen mit in die Mannschaft aufgenommen. Sie trugen ihre Wettkämpfe an verschiedenen, eher provisorisch hergerichteten Sportplätzen aus, wie z. B. An der Bahnhofsstraße oder nahe dem Bentheimer Wald am Rougen Kamp.
Einen regulären Ligabetrieb gab es aber noch lange nicht. Meist spielten die einzelnen Betriebsmannschaften gegeneinander, aber auch Straßenmannschaften trafen sich zu Freundschaftsspielen.
Die Holländer gründeten Germania
Allmählich wuchs die Zahl der Fußballer in Schüttorf und so wurden erste Strukturen geschaffen, um allmählich einen geordneten Spielbetrieb zu etablieren. Die ersten Vereine entstanden. Noch vor dem FC Schüttorf 09, der 1909 gegründet wurde, schlossen sich vor allem niederländische Arbeiter zu einem Fußballverein zusammen. Sie gaben ihm den Namen „Germania“. Schon verwunderlich, denn 80 Prozent der Mitglieder waren Holländer. Die Vereinsfarben der Germania waren Schwarz, Weiß und Rot. Die Ärmel des Germania-Trikots waren schwarz-weiß gestreift und über Brust und Rücken verlief ein roter Streifen. Das Vereinslokal der Germania war der Regenbogen an der Ohner Straße.
Quellen: H. Te Brake „Erinnerungen an die Zeiten der ersten Fußballspiele in der Grafschaft Bentheim“ in: Jahrbuch 1970 des Grafschafter Heimatvereins, www.fcschuettorf09.de, Scheurmann, unveröfftl. Manuskript, u.a.
Fotos: Stadtarchiv Schüttorf, Archiv des Heimatvereins Schüttorf