Im Mittelalter wurde in fast allen Häusern Schüttorfs selbstgebraute Bier getrunken. Und zwar reichlich. Es war sozusagen das flüssige Grundnahrungsmittel Nummer 1. Das hatte seine guten Grunde. Erstens war das Bier meist sauberer als das Trinkwasser, das damals aus den Brunnen oder Gräben entnommen wurde. Zum Zweiten war das Gesöff sehr nahrhaft, aber auch berauschend. „Hoppe“ nannte man das Schüttorfer Nationalgetränk. Es wurde vielfach zu Hause in kleinen Braupfannen hergestellt. Aber es muss auch größere Brauereien in der Stadt und in der Umgebung Schüttorfs gegeben haben, denn bei Chronisten ist zu lesen, dass viele Keller vor allem zur Aufbewahrung von Fässern mit Bier dienten. Einer alten Stadtrechnung ist zu entnehmen, dass man von Buer Lüken eine Tonne Bier geholt habe (1526). Ebenfalls in alten Rechnungen werden namentlich der Bierbrauer Ludike Buhr (1535) und der Bierbrauer Drunten (1526) aufgeführt. Auch soll es in Schüttorf eine Straße Namens Brauerei (Bröierei, Brewwerei, Broawerie) gegeben haben, in etwa da, wo heute die Markringstraße verläuft. Das ist jedoch umstritten.
Ständeübergreifende Beliebtheit
Bier war aber nicht nur bei den gemeinen Schüttorfern beliebt. Es wurde auch bei den hohen Herren aus der lokalen Politik bei Sitzungen und Versammlungen gerne getrunken. Natürlich beglichen die ihre Getränke dann aus städtischen Steuergeldern.
Unse Herren, Achten und Gemeine
Über die Stadtregierung Schüttorf im Mittelalter ist nur wenig bekannt. Es gab einen ehrsamen Rat, der aus acht Mitgliedern bestand und „Unse Herren“ genannt wurde sowie ein Gremium, das ebenfalls aus acht Personen bestand und als „Achten“ bezeichnet wurde. Daneben gab es eine 16-köpfige Gemeine, die die Interessen der gemeinen Bürger vertrat. An ihrer Spitze standen zwei Olderleute. An der Spitze der Stadtregierung regiert in Schüttorf mindestens ein Bürgermeister. Wie und von wem die einzelnen Gremien gewählt wurden, ist mir leider nicht bekannt. Das aktive und passive Wahlrecht hatten aber wohl nur die Bürger, die das volle Bürgerrecht erworben hatten. Zwar konnten auch Frauen Bürger der Stadt Schüttorf sein, es ist aber unwahrscheinlich, dass ihnen die gleichen Rechte wie den Männern zugestanden wurden. Das Wahlrecht gehört mit Sicherheit nicht zu den Rechten der Schüttorfer Frauen, sonst hätte man bestimmt davon gehört.
Tagungsort Wirtshaus
Bevor das Rathaus im 15. Jahrhundert erbaut war und auch noch danach, tagte der Rat und die anderen Gremien gerne in Wirtshäusern, besondern da, wo es das sogenannte „Hamburger Bier“ gab. Eine berühmte Tagungsstätte war das Wirtshaus „Der Rave“. Im Raben pflegte der Rat die Einkünfte aus den verschiedenen Stadtsteuern zu „verpachten“. Dazu muss man wissen, dass es im Mittelalter keine eigentliche kommunale Verwaltung gab, sondern nur wenige „Städtische Bedienstete, wie z.B. den Ratsboten. Vielmehr wurde das Eintreiben der Steuern an den wohlhabende Bürger meistbietend versteigert. Zu den Einnahmequellen zählten die Steuern wie auch das Wagegeld, der Zoll und das Wegegeld. So hieß es im Schüttorfer Stadtrecht: „Rat und Börger hebben eine Wage und mögen to erer Stadt Besten bören Wagegeld, Sterbegeld, Schlachtgeld, Schlietgeld, so ehre Vorfaderen getan hebben…“
Das Wegegeld war eine Zollabgabe, die an den damaligen Hauptverkehrswegen bei Brücken und Furten erhoben wurde. Zum Beispiel bei Mansbrügge (Piggetörnken) und in Engden.
Enorme Wirtshausdichte
Entsprechend des sehr hohen Bierkonsums im mittelalterlichen Schüttorf gab es hier auch zahlreiche Wirtshäuser. Ihre hohe Zahl ist um so bemerkenswert, da die Stadt im 16. und 17. Jahrhundert nur etwa 500 bis 700 Einwohner zählte.
Bierpreisdiktat vom Rat
Hier ist anzumerken, dass es sich bei den meisten Wirtshäusern um sogenannte 1-Raum-Wirtshäuser (Wohnzimmerkneipen) handelte, in denen überwiegend das selbstgebraute heimische Bier ausgeschenkt wurde. Hier stammten die Gäste meist aus niedrigen Einkommensschichten.
Es gab aber auch größere Wirtshäuser, in denen auch Bier aus fremden Städten wie Hamburg, Bremen, Lübeck, Münster oder Paderborn ausgeschenkt wurde. Diese Biere waren entsprechend teurer und wohl nur etwas für die betuchteren Schüttorfer. In einigen Wirtshäusern wurde auch Wein ind /oder Branntwein kredenzt. Für das Ausschenken von „fremden“ Bieren sowie von Wein braucht man eine Extra-Genehmigung vom Rat. Dieser setzte auch die Preise für diese „fremden“ Getränke einheitlich fest.
Vom Grüsink und Gestbier
Über die Zusammensetzung der Biere, die früher wohl auch in Schüttorf getrunken wurden, schreibt Dr. Ludwig Edel: „Danach gehörten zu einem Bräu Grüsink (Kräuterbier oder auch Gruetbier genannt): 4 Malter Malz, für 3 Mark Grut, 2 Scheffel Hopfen. Unter Grut möge er Porsen als Ingredienz des Grutbiers verstehen. … Das Gestbier (Hefenbier) bestand lediglich aus Hopfen und Malz. 1583 waren vorgeschrieben zu einem Gebräu von 12 Tonnen:4 Malter Malz und 9 Scheffel Hopfen.“ Eine Rezeptur für ein original Schüttorfer Bier ist leider nicht bekannt bzw. überliefert.
Na denn, Prost.
(Quellen: „Die Wirtshäuser im alten Schüttorf, von Dr. Ludwig Edel, Heimatblätter 1926, „Flurnamen der Stadt und Feldmark Schüttorf“, von F.W. Schlikker, in: Bentheimer Heimatbote 1937, Wikipedia, Fotos: Heimatverein Schüttorf, Wikipedia)