1973 rückten Bagger dem wohl bedeutendsten Bauwerk unserer Stadt auf den Leib, um Platz für den Bau einer neuen Straße zu schaffen, die man sinnigerweise noch Graf-Egbert-Straße nannte. Nach dem Grafen von Bentheim, der im Jahr 1295 dem curtis scutthorp die Stadtrechte verlieh. So verschwand mit der Burg Altena ein wichtiges Zeugnis unserer Stadtgründung für immer von der Bildfläche. So gründlich, dass man heute kaum noch Spuren von ihr findet. Nicht wenige würden dies gerne ungeschehen machen.
Ohne diese Burg hätte es Schüttorf wahrscheinlich nie gegeben.
Und ohne Schüttorf keine Burg Altena. Wie das? Dazu müssen wir über 1.300 Jahre zurück in die Geschichte blicken. Um 700 war der gesamte Westen des heutigen Niedersachsens ein ziemlich öder und nur dünn besiedelter Landstrich. Politisch und wirtschaftlich kaum interessant. Die wenigen Menschen, die hier lebten, waren Tubanten oder Sachsen, die nicht dem christlichen Glauben zugewandt waren. Verschiedene Versuche, die Urbevölkerung zum Christentum zu missionieren, blieben zunächst mehr oder weniger erfolglos.
Am Anfang war ein Schutzhof
Es gab nur wenige Orte oder Flecken in der Grafschaft, die eine überregionale Bedeutung hatten. Einer davon lag da, wo später die Stadt Schüttorf entstand. Hier kreuzten sich damals zwei wichtige Handelsrouten, von West nach Ost und von Nord nach Süd. Denn dort gab es an einer seichten Stelle eine Furt über die Vechte. Dieser Übergang lag wohl südlich der heutigen Bahnstrecke. Er hatte eine große Bedeutung. Zum einen für die Händler, um mit ihren Waren über den Fluss zu kommen, zum anderen auch für Leute, die gerne an den Besitz der Händler kommen wollten, ohne dafür zu bezahlen. So wurde von den Sachsen an der Furt ein sogenannter Schutzhof gegründet. Dieser Schutzhof bestand aus mehreren Holz-Gebäuden, die als Wohnhäuser und Stallungen dienten. Umgeben war er von einer hohen Hecke, die Schutz vor Eindringlingen bot.
Wenn die Franken nicht gekommen wären.
So ein Schutzhof war eine eine gute Einnahmequelle, denn natürlich wurde ein Obolus für den Schutz und die Vechtequerung verlangt. Als durch das Vordringen der Karolinger nach Norden der fränkische und damit auch der christliche Einfluss in unserer Gegend größer wurde, errichteten die Franken etwas nördlicher ihren eigenen Schutzhof. Den Alten Hof – Olde Hoff. Er soll etwa in Höhe des heutigen Brandacker gestanden haben. Frei nach dem Motto, wenn wir die Sachsen nicht christianisieren können, machen wir sie eben wirtschaftlich fertig. Und so geschah es auch. Der sächsische Schutzhof verlor zunehmend an Bedeutung, während der fränkische Olde Hoff erstarkte und zu einer Burg ausgebaut wurde. Quellen bezeichnen diese Burg als curtis Scuttorpe.Hier soll sich auch ein gräfliches Gericht befunden haben.
Wie die Burg des Olde Hoff aussah, ob sie schon aus Steinen gebaut war, weiss man leider nicht. Man vermutet aber, dass der fränkische Schutzhof die Keimzelle bzw. der Vorläufer der späteren Burg Altena war. Andere Quellen hingegen sprechen von einem anderen gräflichen Hof, der im späteren Stadtgebiet von Schüttorf gelegen haben soll und auch mehrfach in historischen Dokumenten als „unsere Burg“ bezeichnet wurde. Wo dieser Hof jedoch gelegen haben soll, ist nicht überliefert. Der Graf von Bentheim besaß auch innerhalb der späteren Stadtmauern noch weitere gräflichen Höfe, die zum Teil als Burglehen seinen Burgmannen überlassen wurden oder auch zeitwilig als Witwensitz dienten. Die bekannten Höfe lagen aber weit jenseits der Stelle, wo im 14. Jahrhundert die Burg Altena errichtet wurde.
Die ersten Schüttorfer waren Sachsen und Franken.
Um den Einfluss der christlichen Franken weiter zu festigen, wurden im 8. und 9. Jahrhundert viele Menschen aus dem heutigen Frankreich auch in unserer Gegend umgesiedelt. Die Bevölkerungszahl nahm deutlich zu. Insbesondere um den fränkischen Schutzhof ließen sich immer mehr Menschen nieder, so dass nahe dem Schutzhof eine kleine Siedlung entstand. Und eine Win-Win-Situation. Auf der einen Seite profitierten die Siedler von der wirtschaftlichen Bedeutung des Schutzhofes, auf der anderen Seite konnte der Schutzhof bei Gefahr auf die Hilfe Menschen in der Siedlung bauen.
Der Flecken Schüttorf war zu diesem Zeitpunkt noch eine Bauernschaft, die aus einzelnen kleineren und größeren Höfen bestand. Sie waren in den fruchtbaren Vechteniederungen ringsum eine alte Kirche gebaut, die auf einem kleinen Hügel stand. Nach mündlichen Überlieferungen soll diese Kirche auf Hummerts Kalverkamp gebaut worden sein.
Schüttorf entstand aus einer Win-Win-Situation.
Die Stellung der Handelswegkreuzung an der Vechte bei Schüttorf nahm im 11. und 12. Jahrhundert beständig zu, so dass auch die wirtschaftliche Bedeutung des Flecken Schüttorfs und des Alten Hofes immer größer wurde. Ein Zeichen für die damalige wirtschaftliche Stärke kann man auch darin erkennen, dass es schon um 1209 eine Schüttorfer Währung gab. In wie weit der Schüttorfer Sterling auch eine überregionale Bedeutung hatte, ist nicht bekannt.
Mit dem wirtschaflichen Aufschwung wuchsen auch die Begehrlichkeiten an diesem lohnenden Projekt. Die Folge: Der Schutzhof musste verstärkt werden, um mögliche Angriffe besser abwehren zu können. Eine zweite stark befestigte Burg, wie die in Bad Bentheim, war dem damaligen Feudalherren Graf Egbert wohl zu teuer. Also schuf er wieder eine Win-Win-Situation. Er verlieh dem mittlerweile auf fast 250 Bewohner angewachsenen Flecken Scottorpe 1295 die Stadtrechte. Im Gegenzug mussten die Bürger ihre neue Stadt wirksam befestigen. Mit einer Stadtmauer, die rings um die Stadt führte. Nach Fertigstellung war sie fast 1,4 km lang und über 10 m hoch. Zusätzlich wurde die Stadt durch breite Wassergräben und Wallanlagen geschützt. Für die Wassergräben wurde später eigens der Verlauf der Vechte verändert und näher an die Stadt geführt.
Mit der Stadtbefestigung entstand auch innerhalb der Stadt eine Burganlage „unse borg“, wie sie im Jahre 1465 von Graf Bernhard zu Bentheim genannt wurde. Sie bildet den älteste Teil der „Borch bynnen der Stadt Schuttorp“ oder „Borg Schuttorp“, über den wir heute so gut wie gar nichts wissen. Die Burg wurde schon sehr früh Teil der Befestigungsanlagen Ihr Ost- und Südflügel waren in die Stadtmaeuer integriert.
Mit dem Bau der Stadt-Burg in Schüttorf verlor der Alte Hof vor den Toren der Stadt zunehmend an Bedeutung, bis er irgendwann einmal ganz verschwand. Übrigens: Den offiziellen Namen „Burg Altena“ (oder auch Altona) erhielt die Burg erst um 1565 durch die Gräfinwitwe Anna.
Obgleich sie innerhalb der Stadtmauern lag, blieb die Burg Altena im Besitz des Bentheimer Herrschaftshauses. Sie bildete ein eigenes Gemeinwesen, die Bewohner waren von den sogenannten Stadtlasten und Diensten ausgenommen und sie unterstanden auch nicht der Stadtgerichtsbarkeit.
In der Burg Altena war jahrzehntelang auch das gräfliche Rentamt untergebracht. Viele Grundstücke in und um Schüttorf gehörte noch dem Grafenhause in Bentheim. Die Pacht, in Form von Geld, aber vor allem in Naturalien, musste beim Rentamt in der Burg Altena abgegeben werden. Deshalb befanden sich innerhalb des Burgkomplexes auch immer große Räume zum Lagern der Naturalabgaben.

Schüttorf um 1580. Die Burg Altena ist fester Bestandteil der Stadtbefestigung aus Mauer, Graben, Schanzen und Wall
Die Befestigungsanlagen der Stadt wurden im Laufe der nächsten Jahrhunderte beständig erweitert und ausgebaut. So war Schüttorf gegen Ende des 14. Jahrhunderts von einem starken Befestigungssystem aus Mauer, Wassergräben, Schanzen und Wällen umgeben. In die Stadt gelangte man durch drei Haupttore, die entsprechen bewacht waren, und durch ein Nebentor an den gräflichen Wassermühlen.
Von der Stadtburg zur Ruine.
Auch die Burg Altena wandelte sich im Laufe der Jahrhunderte von einer Schutzburg zu einem Witwensitz der Bentheimer Grafenfamilie. Jedoch wählten nur 3 von 9 gräflichen Witwen, denen Schüttorf als Leibzucht verschreiben war, die Burg als Wohnsitz. Ab dem 17. Jahrhundert diente die Burg zeitweilig als Sitz des gräflichen Hofes und wurde auch als „Schloß Schuttorff“ bezeichnet.
Mitte des 16. Jahrhunderts wurde die Burg Altena durch die Grafenwitwe Anna erheblich vergrößert. Sie erweiterte den Palas und den Südflügel um zwei Flügel und legte einen großer Burggarten an. Für den Grund und Boden erwarb sie ein großes „Unland“ vom Schüttorfer Süsternkloster.
In ihrer Blütezeit im 17. Jahrhundert hatte die Burg Altena eine stattliche Zahl von 46 Räumen, von den 28 als Schlafzimmer dienten. Der „Niedergang“ der Burg Altena begann spätestens im Dreißigjährigen Krieg, als sie durch die Kriegwirren stark beschädigt wurde. Diese Beschädigungen wurden nach dem Krieg nie wieder gänzlich behoben. Auch verlor die Burg Altena ihre Funktion als Hof- und Witwensitz. Ihre Bedeutung als Schutzburg hatte sie schon viel früher mehr und mehr eingebüßt. Im 18. Jahrhundert war der Verfall der Burg soweit fortgeschritten, dass eine Restauration nicht mehr rentabel schien. Entsprechend wurden nur die nötigsten Reparaturarbeiten ausgeführt, vornehmlich in den wenigen Gebäuden, die noch bewohnbar waren. Andere Gebäudeteile sowie die komplette Vorburg wurden abgerissen.
Eine Randnotiz:
Nachdem die Burg Altena ihre Funktion als Witwensitz eingebüßt hatte, verlor auch das Grafenhaus in Bentheim zunehmend das Interesse an dieser Stadtburg. So hieß es in einem Bericht zu Beginn des 18. Jahrhunderts: Zudem habe der Gräfinnen „Diener Derck Fromme, welcher auff dem hause Altenah in der fraw Wittiben nahmen wohnet, aldah bier verkauft, undt in specie auff den großen Sael daß Kegeln“ erlaubt.
Dem Verfall preisgegeben.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erwarb der Fabrikant ten Wolde die verbliebenen Reste Burg Altena. Er ließ weitere Teile der Burg abreißen, andere Teile jedoch zu Wohnraum umbauen. Er selbst wohnte im Westflügel.
Ten Wolde verhalf der alten Burg zu ein wenig neuem Glanz, in dem er am Nord- und Westflügel Türmchen errichtete. Aber das war es dann auch schon mit der neuen Herrlichkeit. Nach dem Tod von ten Wolde im Jahr 1930 wurde nichts mehr in den Erhalt der Burg Altena investiert, so dass sie in den kommenden Jahren bis zu ihrem endgültigen Abriss kaum noch etwas vom Glanz und Gloria vergangener Jahre ausstrahlte.
War die Burg Altena etwas Besonderes?
Eigentlich nicht. Es gab und gibt viele Burgen in Deutschland, die die ehemalige Schüttorf Stadtburg klein und unbedeutend erscheinen lassen. Aber die Burg Altena zählte neben der ev. Kirche, dem Rathaus und der Stadtmauer mit ihren Stadttoren zu den bedeutsamsten Bauwerken unsere Stadt.
Die Burg Altena war eine relativ kleine Burg. Zu ihrer Blütezeit bestand sie aus vier Hauptflügeln und einer Vorburg sowie einem Burggarten. Von ihren Anfängen bis hinein ins 15. Jahrhundert ist uns sehr wenig bekannt. Es waren wohl nur ein paar wenige Gebäude, die aber für damalige Verhältnisse sehr stabil gebaut waren.
Zuerst wurde der Palas mit dem großen Saal, der spätere Ostflügel, aus Sandstein gebaut. Anschließend errichteten man den Südflügel im Fachwerkbau. Palas und Südflügel wurden in die Stadtbefestigung integriert und zum Teil auf der Stadtmauer aufgebaut. Beide waren vierstöckig. In ihnen wohnten und residierten die adligen Herrschaften.
Von der Inneneinrichtung des Palas und des Südflügels ist uns wenig bekannt. Der große Saal des Palas dient vor allem repräsentativen Zwecken. Es ist anzunehmen, dass er entsprechend prachtvoll ausgestattet war. Bekannt ist lediglich, dass es im Saal einen großen offenen Kamin gab.
1565 wurde die Burg um die zweistöckigen Nord- und Westflügel erweitert. Sie waren aus Bruchsteinen gemauert. Hier waren die gräflichen Beamten, das Gesinde und auch Gäste untergebracht. Im Nordflügel befand sich die Küche der Burg. In der Vorburg standen kleinere Häuser, die als Ställe für Pferde, Schweine und Hühner sowie als Vorratsräume für Torf und Holz dienten. Pferdewagen und Kutschen waren hier ebenfalls untergebracht. Auch Handwerker wohnten hier, wie zum Beispiel Steinmetze oder Schmiede. In die Vorburg gelangte man durch ein Torhaus, in dem wohl auch ein paar Bewaffnete stationiert waren, die den Zugang zur eigentlichen Burg kontrollierten. Der Burggarten war von einer Mauer umgeben. Er war ein Nutzgarten mit zahlreiche Obstbäume und Gemüsebeeten. Selbst ein Fischteich, der mit Vechtewasser befüllt wurde, war dort zu finden.

Der Grundriss der Burg Altena als sie vollständig ausgebaut war, inkl. Vorburg und Burggarten 1.Ostflügel (Palas) 2. Südflügel 3. Westflügel 4. Nordflügel 5. Vorburg
Kaum Ritter und keine Kanonen
Obgleich die Burg Altena ursprünglich als Schutzburg angelegt war, war ihre militärische Funktion eher bescheiden. Auch waren hier kaum nennenswerte Truppen stationiert. Wenn dann zu den Zeiten, in denen sich das Bentheimer Grafenhaus in irgendwelchen bewaffneten Streitigkeiten befand. Zugegeben, das war auch nicht gerade selten. Ob die Burg jemals einen Ritter beherbergt hat, ist nicht übermittelt. Es gab aber Ritter, die als Burgmannen in der Stadt Schüttorf lebten. Auch die Befestigungen und die Bewaffnung der Burg waren längst nicht so spektakulär wie die der Burg in Bentheim. Als die Burg Altena in voller Pracht stand, war ihre militärische Bedeutung kaum noch der Rede wert. Dennoch war sie politisch ein wichtiger Ort, sicherte sie doch dem Bentheimer Grafenhaus lange großen Einfluss auf die Geschicke der Stadt Schüttorf.
Ein Opfer für den Fortschritt – der eigentlich keiner war.
Die Burg Altena war über Jahrhunderte hinweg ein Zeugnis für die Entstehungs- und Erfolgsgeschichte unserer Stadt. Den Beschluss, sie abzureißen, kann man angesichts der hohen Kosten für ihre Wiederinstandsetzung, nachvollziehen. Aber nicht nur historisch gesehen, war dies trotzdem eine der größten Fehlentscheidungen, die je im Rat der Stadt Schüttorf getroffen wurden. So haben wir zwar eine gräfliche Straße bekommen, aber dafür ein wichtiges Bauwerk unserer Geschichte und Identität für immer verloren.
(Fotos: Heimatverein Schüttorf e.V./Wikipedia)