
Heute ein beliebtes Ausflugsziel, der Waldbauer in Quendorf
Nicht jede Familie in Schüttorf kann auf eine über 400 Jahre Familiengeschichte zurückblicken. Und dazu noch belegen, wie der heutige Familienname entstanden ist. Manchmal hat man das Glück, dass alte Akten und Kirchenregister vollständig erhalten geblieben sind. Und dass es Lokalhistoriker gibt, die sich auf die Spurensuche nach der Herkunft und Werdegang einer Schüttorfer Familie begeben haben. Bei der Familie Woltmann in Quendorf ist dies der Fall. Werfen wir einen Blick auf ihrer Familiengeschichte, vom Beginn des 17. Jahrhunderts bis in die heutige Zeit.
Beim Waldbauern in Quendorf
Auf halber Strecke zwischen Schüttorf und Bad Bentheim liegt mitten im Wald das Ausflugslokal und Restaurant „Beim Waldbauern“, auch kurz nur Waldbauer genannt. Fast jeder Schüttorfer und auch viele Gäste aus dem In- und Ausland kennen es und schätzen den leckeren Kaffee und Kuchen, die deftige Hausmannskost oder die raffinierten Wildgerichte, die man dort genießen kann. Was viele aber nicht wissen, hier sitzt man an historischer Stätte. Denn die Geschichte des „Waldbauern“ lässt sich bis ins Jahr 1620 zurückverfolgen.
An Anfang war Gerdt Lepmann
Vor fast genau 400 Jahren lebte in Quendorf ein gewisser Gerdt Lepmann. Er hatte einen gutgehenden Hof auf dem Lepmannschen Erbe und war wohl ein wohlhabender Bauer. Denn 1593 kaufte er sich auch ein Haus in der Stadt Schüttorf. Er konnte aber aufgrund des damals geltenden Stadtrechts nicht selber ein Stadt-Bürger werden. Also überließ Gerdt Lepmann seinem Sohn, der ebenfalls Gerdt hieß, das Schüttorfer Haus und erkaufte ihm die Schüttorfer Bürgerrechte.
Aus Gerdt Lepmann wurde Waldgeerd
Wie das Leben so spielte. Gerdt Lepmann junior war ein vollwertiger Bürger der Stadt Schüttorf. Aber es hielt ihn nicht in der Stadt. Aus uns unbekannten Gründen wollte er wieder raus aufs Land und wurde ein Waldbauer. Sein Vater kaufte ihm von der Schüttorfer Familie Bogenmacher einen Kamp in Quendorf, mitten im Wald. Mitte des 17. Jahrhunderts baute Gerdt junior dort ein neues Haus. Im alten Haus der Familie Woltmann in Quendorf befand sich noch Anfang des 20. Jahrhunderts ein Herdstein mit der Jahreszahl 1650. Um diese Zeit muss das neue Haus wohl errichtet worden sein. Sein neues Leben als Waldbauer hatte auch Folgen für seinen Namen. Fortan wurde er Wolt-Gerdt und später Waldgeerd genannt.
Der Name Woltman tauchte erstmals 1694 auf
Auf das Gehöft von Waldgeerdt zogen im Laufe der Zeit weitere Verwandte der Familie ein. Zu nennen sind sein Schwager Woltwessel, dann Woltjan und später Wolthindrik. Allen ist gemein, dass sie in ihrem Namen sowohl einen Vornamen wie den Zusatz Wolt für Wald trugen. Kurz nach dem Tod von Waldgeerd im Jahr 1694 tauchte in kirchlichen Unterlagen zum ersten Mal der Name Woltman in den Schüttorfer Kirchenregistern auf.
Exkurs: Namen im Mittelalter
Heute ist es üblich, dass man kurz nach der Geburt einen Namen erhält, der sich üblicherweise aus einem Vornamen und dem Familienname der Eltern zusammensetzt. Vor rund 1.000 Jahren war das noch anders. Die meisten Menschen hatten nur einen Vornamen bzw. Rufnamen. Mehr war auch nicht nötig, denn viele lebten in kleinen Dörfern oder Flecken, die meist nur von wenigen Menschen bewohnt war. Da reichte ein Name, um die betreffende Person zu identifizieren. Erst mit der zunehmenden Urbanisierung waren feinere Unterscheidungen notwendig. Von Italien aus verbreitete sich der Trend, seinem Namen einen Beinamen zuzufügen. Meist hatten diese Beinamen einen Bezug zum Herkunftsort (Hans von Ohne), zum Beruf (Hans der Müller), zum Vater oder zur Mutter (Hans, der Sohn vom Schreiber), zu einer Eigenschaft des Namensträgers (Hans der Starke) oder zur Wohnstätte (Hans vom Esch). Aus diesen Beinamen wurden schließlich Familiennamen, die auch auf die Kinder übertragen wurden. Ab dem 16. Jahrhundert war es in Deutschland üblich, einen Vor- und Familiennamen zu haben. Und ab dem 17 .Jahrhundert war dies bei uns fast überall gesetzlich vorgeschrieben.
Trotzdem war es früher durchaus üblich, dass man im Laufe seines Lebens einen anderen Namen erhielt. Entweder durch Heirat, oder durch die Änderung von Lebensumständen, wenn man zum Beispiel an einen anderen Ort zog oder einen neuen Beruf ergriff. Aber auch Ungenauigkeit bei Einträgen in das Kirchenregister oder anderen amtlichen Unterlagen konnten dazu führen. Der Zahl der Menschen, die Lesen und Schreiben konnten, war ifrüher sehr gering. Und die meisten Menschen konnten deshalb auch nicht angeben, wie ihr Name richtig geschrieben wurde.
Waldgeerd war ein freier Bauer
Gerdt Lepmann, jetzt Waldgeerd genannt, war ein sogenannter freier Bauer. Freie Bauern genossen gegenüber der leibeigenen Landbevölkerung eine Vielzahl von Privilegien. Zwar mussten sie auch Abgaben an den jeweiligen Grafen leisten, sie behielten aber von ihren Erträgen oft so viel zurück, dass sie durchaus einen ansehnlichen Reichtum erwirtschaften konnten. Sie hatten auch das Recht, Leibeigene des Adels bei sich zu beschäftigen. Natürlich gegen Entgelt für den jeweiligen Lehnsherren. Die leibeigenen Knechte und Mägde erhielten nur sehr wenig Lohn. Meist wurden sie in Naturalien wie Kost und Logis „bezahlt“. Ein weiteres wichtiges Privileg der freien Bauern war, dass sie ihr Eigentum an ihre Nachkommen vererben durften. Nur wenn kein Nachkommen vorhanden war, fiel ihr Besitz dem jeweiligen Landesherren zu.
Wolthindrik – der Stammvater der Familie Woltmann
Da Waldgeerd nur Töchter hatte, war sein Schwager Wolthindrik (Wolthindrich) entscheidend für die weitere Entwicklung der Familie Woltmann in Quendorf. Der 1752 im Alter von 73 Jahren als Hindrich zum Waldhaus gestorbene Wolthindrik wird als der eigentliche Stammvater der späteren Familie Woltmann bezeichnet.
Von seinen sechs Kindern blieb nur der Sohn Jan im Waldhaus wohnen. Er heiratete am 11. November 1741 Johanna Brüning. Ihr Sohn Henrich blieb als Ältester im Waldhaus, verstarb aber noch sehr jung. Seine zweite Ehefrau heiratete dann einen gewissen Arndt Hermeling, der dann, wie es damals noch üblich war, Wolthaus oder Woltbuer genannt wurde.
Aus den mir zugänglichen Dokumenten ist nicht genau zu bestimmen, wann sich der Familienname Woltmann aus den bislang vielfältigen Variationen der Familiennamen endgültig durchgesetzt hat. Dies scheint aber spätestens seit Mitte des 18. Jahrhunderts der Fall gewesen zu sein. Denn seit dieser Zeit taucht in den Dokumenten, die den Waldbauern in Quendorf betreffen, meist nur noch der Familienname Woltmann auf.
Sehr lange Familientradition
Bis in die heutige Zeit ist der Hof des Waldbauerns in Quendorf im Besitz der Familie Woltmann. Er wurde, bis auf eine Ausnahme, immer an einen männlichen Erben des jeweiligen Waldbauerns weitervermacht. So befindet sich heute das Anwesen des Waldbauern seit dem Ahnherren Woltgerd, geb. Lepmann im Besitz der 16. Generation der Familie Woltmann. Von so einer langen Familientradition kann man in Schüttorf selten sprechen. Es mag vielleicht ein wenig traurig stimmen, dass heute die Tochter des letzen Woltmanns und heutige Besitzerin des Waldbauerns durch ihre Heirat einen anderen Familiennamen trägt. So werden wir in Zukunft wohl keinen Woltmann mehr als Besitzer des Waldbauerns bezeichnen können. Was aber der langen Familientradition keinen Abbruch tut.

Aus dem Waldbauern wurde nach und nach ein gastronomischer Betrieb auf halben Weg von Schüttorf nach Bentheim
Quendorf Nr. 2
Über den Hof des Waldbauern Woltmann ist zu sagen, dass er sich durch Zukäufe von Acker- und Weideflächen seit 1620 beständig vergrößert hat. Lange Zeit lautete seine Adresse Quendorf Nr. 2. Vielleicht ein Hinweis, dass er einmal zu den bedeutendsten Höfen der Bauernschaft gezählt hat. Auch bei den Gebäuden des Hofes hat sich einiges getan. Um 1620 hat dort wohl bereits ein kleiner Kotten gestanden. Spätestens 1650 wurde der Hof durch ein neues Haus erweitert. Wann die übrigen Gebäude und Stallungen errichtet wurden, ist nicht genau zu datieren. Von den ehemaligen Hofgebäuden aus dem Mittelalter ist heute keines mehr erhalten.
Einige historische Dokumente der Woltmanns aus Quendorf

Einwilligung der Quendorfer Bauernmänner, Arend Woltmann einen Grund zu überlassen, der an seinem Kamp liegt. Datiert vom19.4.1790

Jan Woltman und Fenne Höfman bestätigen, dass sie sich von Albert Tibbe 400 Gulden für einen Landkauf auf dem Bramesch geliehen haben. Datiert vom 26.10.1814

Ehe- und Einkindschaftsvertrag (Einbringen eines Kindes in die Ehe) zwischen dem Witwer Gerrit Woltbauer geb. Woltmann und Grete Kallemeyer (Kaldemeyer) aus Haddorf. Datiert vom 19.7.1837

Ehe- und Einkindschaftsvertrag (Einbringen eines Kindes in die Ehe) zwischen dem Witwer Gerrit Woltbauer geb. Woltmann und Grete Kallemeyer (Kaldemeyer) aus Haddorf. Datiert vom 19.7.1837
Danksagung
Ich möchte mich an dieser Stelle recht herzlich bei Frau Leonore Jeuring für die gute Zusammenarbeit und die Überlassung der historischen Dokumente bedanken.
(Quelle: Beim Waldbauern. Entwicklungsgeschichte eines freien bäuerlichen Gehöftes in der Grafschaft Bentheim, von Dr. Ludwig Edel, Wikipedia. Fotos: Heimatverein Schüttorf, Stadtarchiv, privat Jeuring/ privat Schrader)