Vor Jahren, als das Gebiet um Helpers Höchte noch viele kleine Heideflächen aufwies konnte man von einem überwachsenen Feldweg aus einen kleinen mit Heidekraut bewachsenen Hügel entdecken. Und damit eine historische Stätte, auf der die letzte Hinrichtung in der Grafschaft Bentheim stattgefunden hat. Ich weiß nicht, ob man diesen Hügel auch heute noch findet.

Aber was war dort vorgefallen. Dafür müssen wir in die frühen Jahre des 19. Jahrhunderts zurückblicken. Um 1836 herum waren zwei Hollandgänger – auch Pickmäijers genannt – auf dem Rückweg in ihre emsländische Heimat, wo ihre Frauen, Kinder und Eltern sehsüchtig auf sie warteten. Sie mögen wohl frohen Herzens gewesen sein, denn ihr Verdienst, den sie sich im Holländischen erarbeitet hatten, füllte prall ihre Beutel. Damit würde sie und ihre Familien gut über den Winter kommen. Als sie nun durch die fast menschenleere Landschaft in Quendorf marschierte, fasste einer von ihnen, ein Günnemann aus Steide, wie sich später herausstellte, einen teuflischen Plan und setzte ihn sogleich in die Tat um. Mit einem knüppeldicken Ast erschlug er seinen Kameraden und raubte ihm seinen Geldbeutel. Dann verscharrte er die Leiche so gut, dass sie nie gefunden wurde. Anschließend setzte der Mörder seine Wanderschaft gen Heimat fort. Das Verbrechen blieb unbemerkt, denn keiner hatte etwas gesehen.

DER TÄTER WURDE GEFASST

Wie und warum der Mörder einige Zeit später in seiner Heimat seines Verbrechens überführt werden konnte, bleibt bis heute ein Rätsel. Denn von diesem kriminalistischen Erfolg ist leider nichts überliefert worden. Vielleicht hat er im Überschwang und unter starkem Alkoholgenuss sich mit seinen Untat gebrüstet, vielleicht hat ihn aber auch sein Gewissen geplagt. Wir wissen es nicht.

Überliefert ist aber, dass eines Tages der Gerichtsbote vom Bentheimer Amt auf den Hof des Quendorfer Burschulten kam und ihm eine amtliches Schreiben überreichte, das mit einem dicken Siegel versehen war. Darin stand geschrieben, dass der Günnemann aus Steide des Mordes überführt und schuldig gesprochen sei. Er soll dafür durch das Schwert hingerichtet werden. Und zwar an der Stelle, wo der Mord geschehen sei.

Für die Hinrichtung solle nun die Bauernschaft Quendorf an ehemaligen Tatort einen zwei Meter hohen Hügel aufwerfen und an dessen Fuß ein Grab ausheben. Des weiteren sei ein Sarg für den Delinquenten zu beschaffen. Auch sollten sich 10 handfeste Leute und 8 Reiter am Tage der Hinrichtung am Hügel einfinden.

EIN BESONDERER TAG FÜR DIE QUENDORFER

Natürlich machte diese Kunde alsbald die Runde in Quendorf. Schon lange war hier keiner mehr hingerichtet worden. Und man sah diesem Tag mit Spannung entgegen. Als das der Tag der Hinrichtung kam, war ganz Quendorf schon früh auf den Beinen. Jeder, der nicht auf dem Hof oder dem Feld unbedingt gebraucht wurde, fand sich schon im Morgengrauem am Hinrichtungsplatz ein. Selbst die Kinder aus der kleinen Quendorfer Schule marschierten – angeführt von ihrem Lehrer – zum Ort der Sühne. Was sie dort erblickten war ein einfacher Stuhl, der mitten auf dem kleinen Hügel stand. Mehr nicht. Bei dem einen oder anderen machte sich schon Enttäuschung breit. Sie hatte Spektakuläreres erwartet.

ENDLICH WAR ES SOWEIT

Einige Zeit verging, ohne das sich etwas tat. Da näherte sich vom Walde her ein Wagen mit dem an Händen und Füßen gefesselten Verurteilten. Dem Wagen folgten der Amtsvogt sowie weitere Amtspersonen des Bentheimer Gerichts, der Geistliche der Kirche und natürlich der Scharfrichter. Günnemann wurde vom Wagen geladen und auf den Hügel geführt. Dort fesselte man ihn an den Stuhl. Gleich rückten die Zuschauer näher an den Hügel heran, um ja nichts zu verpassen. Die acht Männer des Burschulten jedoch hinderten sie daran, zu nahe zu kommen, indem sie einen Ring um den Hügel bildeten.

MIT EINEM SCHLAG WAR ALLES VORBEI

Nun fing der Scharfrichter an, seines Amtes zu walten. Er entblößte den Oberkörper des Delinquenten und kämmte das nasse Haar aus dessen Nacken. Dann gab er ein Zeichen, dass er soweit sei. Der Geistlich sprach ein Gebet für den Sünder, wobei die meisten Zuschauer ihre Mützen vom Kopf nahmen. Der Amtsvogt gab ein Zeichen und der Scharfrichter schlug zielgenau mit seinem Richtschwert zu. Die Tat war gesühnt und Günnemann war nicht mehr am leben. Sein Leichnam wurde zusammen mit seinem Kopf in den Sarg gebettet und in das offene Grab gelegt. Hastig wurde es zugeschüttet. Dann war das Spektakel vorbei. Vergessen blieb es aber auch viele Jahre danach nicht.

Quelle: Ludwig Sager, Helpers Höchte – ein abschreckendes Beispiel, in: Der Grafschafter 2000
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